Caring in Times of Continuous Crisis (Part II)


20. April bis 09. Juni 2024

Angela Anderson
Luïza Luz
Violet Nderaisho & Nomaswazi Mthombeni
Åsa Sonjasdotter

Konzept und Kuration: Rebecca Heinzelmann & Johanna Brummack
Koordination: Ekachai Eksaroj
Vermittlung: Franziska Weygandt


Vom 20. April bis 09. Juni 2024 findet im Kasseler Kunstverein der zweite Teil der Ausstellungsreihe Caring in Times of Continuous Crisis statt, die sich der Bedeutung von Fürsorge in persönlichen und gesellschaftlichen Krisen widmet. Während sich der erste Teil der Reihe auf Fürsorge und Gesundheit fokussierte, werden im zweiten Teil Zusammenhänge von Fürsorge und Ökologie behandelt.

Die eingeladenen Künstler*innen, Aktivist*innen und Forscher*innen befassen sich mit den Beziehungen zwischen kolonialen Strukturen, planetarischem Wandel und der Klimakrise. Sie untersuchen, wie die Ausbeutung von Arbeit und Rohstoffen, die Produktion von Nahrungsmitteln und die Ansammlung von Kapital miteinander verbunden sind. Ausgehend von persönlichen Erzählungen oder umfangreichen Recherchen beschäftigen sich die Künstler*innen seit Jahren mit der ineinandergreifenden Dynamik von Fürsorge und Ökologie. Durch ihre Vorgehensweise zeigen sie wie wichtig es ist, die Stimmen und das Wissen der Gemeinschaften, die an den Rand gedrängt wurden, in den Mittelpunkt zu stellen.

Die künstlerischen Arbeiten umfassen eine Vielzahl von Medien, darunter Sound, Fotografie, Bewegtbild und Installationen mit lebenden Organismen. Dabei werden Ökosysteme nicht als Ressourcen betrachtet, sondern als lebende Einheiten, die sowohl Fürsorge geben, als auch benötigen.

In den letzten Jahren wurde verstärkt über die Bedeutung von Fürsorge gesprochen. Insbesondere nach der Corona Krise ist die systemische Relevanz von Care-Arbeit mehr als deutlich geworden. Auf der praktischen und strukturellen Ebene hat sich jedoch kaum etwas verändert. Dies wirft die Frage auf, was Fürsorge in der Praxis bedeutet und wer in Krisenzeiten beachtet und versorgt wird.

Im Kern ist Fürsorge etwas ganz Alltägliches und Verbindendes. Jedes Lebewesen - jeder Körper - ist auf einen geschützten Raum und die Fürsorge anderer angewiesen. [1] In Anlehnung an María Puig de la Bellacasa betonen wir, dass gegenseitige Fürsorge kein Vertrag, sondern eine Bedingung für das Leben ist. [2] Durch fürsorgliche Handlungen werden Beziehungen gestärkt, neue Verbindungen geschaffen, und Wunden können heilen. Fürsorgebeziehungen sind jedoch häufig durch Spannungen und Hierarchien auf subjektiver und gesellschaftlicher Ebene geprägt. Handlungen der Instandhaltung, Pflege und Reparatur werden in kapitalistischen und patriarchalen Systemen abgewertet und unsichtbar gemacht, da es einfacher ist, das auszubeuten, was als unwichtig gilt. Das Ignorieren der grundlegenden Bedeutung von Fürsorge führt unweigerlich zur Zerstörung von Leben. Gesellschaftsmodelle, die Profit über alles stellen und Fürsorge vernachlässigen, tragen aktiv zu den anhaltenden ökologischen und humanitären Krisen bei, denen der Planet Erde ausgesetzt ist.

Eine Krise ist definiert als eine Situation, die den Höhepunkt und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt. Krisen werden oft als vorübergehende Phasen beschrieben, aus denen es einen Ausweg gibt und aus denen die betroffene Person oder Gruppe etwas lernen kann. [3] Was aber, wenn eine Krise zeitlich nicht begrenzt ist? Was ist, wenn kein Ende in Sicht ist oder die Krise schon zu lange andauert? Die feministische Theoretikerin Lauren Berlant bezeichnet solche Zustände als crisis ordinariness - eine gewöhnliche oder alltägliche Krise. [4] Mit diesem Begriff macht Berlant deutlich, dass Krisen nicht notwendigerweise zu bestimmten Zeitpunkten auftreten, sondern auch ein andauernder, scheinbar normaler Zustand sein können.

Der Begriff der anhaltenden Krise kann helfen, die Gleichzeitigkeit und Verflechtung von Krisen und Kämpfen in den Blick zu nehmen: Wie hängt die Ausbeutung nicht- menschlicher Organismen wie Tiere, Pflanzen, Böden und Mineralien mit den drastischen klimatischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte zusammen? Wie sind diese mit der Kolonialgeschichte verknüpft? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Ansammlung von Kapital und der Züchtung und Patentierung von Nahrungsmitteln? Wie beeinflusst eine auf Leistung basierende Gesellschaft die Fähigkeit zu Fürsorge und Empathie? Warum scheint es normal zu sein, dass die Zeit, die jemand damit verbringt, Kinder aufzuziehen, Lebensmittel anzubauen, zu putzen oder etwas zu reparieren, weniger wert ist als die Zeit, die jemand mit dem Handel von Immobilien oder Waffen verbringt? Können wir noch von Klimakrise, Finanzkrise und humanitären Krisen sprechen, oder ist es angemessener, von einer planetarischen Krise zu sprechen, da all diese Kämpfe eng miteinander verbunden sind?

Wir laden Sie ein, die Ausstellung zu besuchen und sich mit uns auf eine kontinuierliche Reise des Austauschs, des (Ver-)Lernens und des ökologischen Wandels zu begeben. Mit Blick auf die Herausforderungen und Spannungen der Gegenwart, bitten wir Sie explizit von jeder Form der Diskriminierung abzusehen. Wir ermutigen zu einem offenen Dialog und zu Gesprächen, die auf gegenseitigem Zuhören, Respekt und Empathie beruhen.

Im Rahmen der Ausstellung finden verschiedene öffentliche Angebote wie Führungen, Workshops und Gespräche statt. Informationen finden Sie auf unserer Website, im Newsletter, auf unserem Instagram Kanal und am Empfangstresen.

Statement of the artists and curators with regards to exhibiting in this current historical moment in Germany

[1] Fitz, Angelika/Krasny, Elke, eds. Critical Care. Architektur and Urbanism for a Broken Planet. Boston: MIT Press, 2019.
[2] Puig de la Bellacasa, María, Matters of Care: Speculative Ethics in More than Human Worlds, University of Minnesota Press, 2017.
[3] Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 7. aktualisierte und erweiterte Auflage, Bonn: Dietz 2020.
[4] Berlant, Lauren, Cruel Optimism, Duke University Press, 2011.

 

 

Öffentliche Angebote

Eröffnung mit anschließendem DJ Set von Icy Gee: Fr 19.04.2024 / ab 20 h

Kurator*innenführung: Sa 20.04.2024 / 14 - 15:30 h

Kinderbuchlesung & Workshop mit Selina vom storytales-Festival (Kinder von 6 bis 10 Jahre): Sa 04.05.2024 & Do 23.05.2024 / je 15 - 16 h

Öffentliche Führung mit Franziska Weygandt am Mi 01.05., Do 09.05. & Fr. 17.05. 15 h

Talk mit Åsa Sonjasdotter: Sa 08.06.24  16 h

 

Wir bedanken uns beim Kulturamt der Stadt Kassel und der Kasseler Sparkasse für die Unterstützung